Plusminus-Beitrag „Unausgereifte Energieausweise“…Brief an die Redaktion


Sehr geehrte plusminus-Redaktion,

ich habe mit großem Interesse Ihren Beitrag zum Energieausweis verfolgt. Ich selbst bin zugelassener Aussteller für Energieausweise (Wohngebäude, Nichtwohngebäude) und stelle sowohl Bedarf- als auch Verbrauchsausweise aus.

Als Tenor Ihres Beitrags habe ich wahrgenommen: Verbrauchsausweise sind wertlos und nur ein in vor-Ort-Beratung erstellter Bedarfsausweis kann gültig sein.

In Ihrem Beitrag durchkämmt ein Architekt eine saarländische Butze aus der vorletzten Jahrhundertwende und attestiert dem Gebäude nach mehrfachem Handauflegen an Heizkessel und Fensterrahmen einen Bedarfskennwert von 280 kWh/m²a. Die online eingeholten Verbrauchsausweise weichen voneinander ab und liegen jeweils im Bereich zwischen 120 und 150 kWh/m²a. Sie müssen also falsch sein. Absichtlich falsch eingegebene Verbrauchsdaten wurden von den Ausstellern nicht bemerkt (wie auch?). Ergo… der Verbrauchsausweis ist ein reiner Schwindel…

Das ist nicht nur sachlich und fachlich falsch…sondern ich vermute dahinter eine beabsichtigte Falschdarstellung.

Die Verbraucherzentrale NRW hat kürzlich mehrere Online-Angebote untersucht und dabei tatsächlich Mängel aufgedeckt, z.T. sogar erhebliche. Aber hier werden auch gleich Orientierungshilfen für Eigentümer und Verbesserungsvorschläge für die Anbieter gegeben. Das ist zu begrüßen.

Der PLUSMINUS-Beitrag strotzt aber vor Unrichtigkeiten: Zweifellos kann der Verbrauchskennwert für das dargestellte Haus in der Größenordnung 150 kWh/m²a liegen. Es handelt sich um ein Reihenhaus mit idealem Fläche/Volumen-Verhältnis, über das Nutzerverhalten wissen wir nichts.
Aus meiner Erfahrung sind hier, auch bei energetisch unsanierter Bausubstanz, solche Verbrauchswerte absolut nicht unüblich

Der Hinweis des Architekten, das wäre Neubauniveau, ist falsch. Das gibt zwar die Farbskala des Energieausweises so aus, hat aber mit dem aktuellen technischen Stand nichts gemein. Neubauniveau liegt zwischen 70 und 100 kWh/m²a…in Mehrfamilienhäusern dabei tendenziell niedriger als in Einfamilienhäusern. Ein Fachmann, der sich sicher auf dem Boden der geltenden EnEV bewegt, sollte das eigentlich wissen.

Als nächstes Argument führen Sie an, dass Online-Anbieter Falscheingaben oft nicht bemerken. In der Regel sollten unplausible Angaben im Rahmen der Ausweisprüfung gefunden und nachgefragt werden, das ist unstrittig.
Das ein Energieberater bei telefonischer Datenaufnahme nicht prüfen kann, ob die Wohnfläche 120 oder 210 m² beträgt, ist klar. Dafür erklärt aber der Eigentümer bei Angabe der Werte, dass er dies selbst geprüft hat und mit Vorlage des Ausweises auch anhand von Abrechnungne bzw. Plänen nachweisen kann. Die Verantwortung für die Richtigkeit der Daten liegt also zunächst einmal beim Eigentümer, in jedem Fall ist der Aussteller aber verpflichtet, die Daten auf Plausibilität zu prüfen.
Das Verfahren der vereinfachten Datenerhebung ist eindeutig geregelt und zulässig, die auf dieser Grundlage ausgestellten Energieausweise sind uneingeschränkt gültig. Dies haben Sie versucht, anders darzustellen…und das ist falsch.

Sie stellen weiterhin dar, dass die aufgeführten Fehler und Unsicherheiten beim Bedarfsausweis und einer vor-Ort-Begehung auszuschließen sind. In dem Beispielgebäude wird eine lückenlose Ausfnahme der Bauphysik (incl. Wärmebrücken) und der heiztechnischen Anlagen sicher mehrere Tage dauern. Zu einem Preis von 500-1000 Euro ist eine vollständige und fachmännisch korrekte Bewertung des Gebäudes nach dem EnEV-Nachweisverfahren überhaupt nicht möglich. Es wird also in der Regel auch hier zu Vereinfachungen in der Aufnahme der baulichen Gegebenheiten kommen.

Woher kommt die aktuelle Verunsicherung: Da spielen verschiedene Dinge eine Rolle:
Verschiedenste Verbände und Institute haben über Jahre hinweg für viel Geld Energieberater ausgebildet, die fest daran glauben, mit einem zwangseingeführten Energiepass eine sichere Existenz führen zu können.
Andererseits ist klar, dass nicht jeder Hauseigentümer zu einer Komplettberatung für 500…2000 Euro zu verpflichten ist… Deshalb wurde das vereinfachte Verfahren geschaffen, in dem Hauseigentümer Daten selbst zuarbeiten können. Dieses Verfahren ist ausdrücklich gewollt für Eigentümer, die preiswert ihrer Informationspflicht nachkommen wollen aber nicht unbedingt auch eine Energieberatung möchten oder sich leisten können. Herr Tiefensee hat dies ja ausdrücklich bei der Einführung des Ausweises kommuniziert.
Nun laufen viele Energieberater, Architekten etc. natürlich Sturm gegen diese preiswerten Angebote, da die schöne heile Welt der zwangsverordneten Beratungseinkünfte zusammenzubrechen droht.
Natürlich fehlt es vielen Onlineangeboten an Transparenz und teilweise auch an Qualität. Dasselbe Problem gibt es aber auch bei den “leibhaftigen” Beratern. Wie soll ein Berater aus dem Baustoffhandel nach mehrtägigem Crashkurs etwas über den hydraulischen Abgleich der Heizungsanlage aussagen. Was weiß ein umgeschulter Schornsteinfeger in der Regel über Wasserdampfdiffusion in Bauwerken?

Den Eigentümern bleibt ein kritischer Umgang mit allen Angeboten. Verhalten Sie sich genauso, wie bei anderen Produkten oder Dienstleistungen. Verlassen Sie sich auf Empfehlungen und nachprüfbare Referenzen.

Sie haben wissentlich oder unabsichtlich vermieden, hier eine ganzheitliche und ausgewogene Sicht der Dinge zu entwickeln und den bereits stark verunsicherten Eigentümern fassbare Orientierungshilfen zu geben.
Ich finde das außerordentlich schade, da es letztlich auch auf alle seriösen Anbieter (die es sowohl unter den vor-Ort- als auch unter den Online-Beratern sicher mehrheitlich gibt) zurückfällt.

Ich würde mir für das nächste mal einen sorgfältiger recherchierten Beitrag wünschen.

Beste Grüße

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www.energieausweis-vorschau.de
Hier bin ich als Aussteller tätig und prüfe jeden Energiepass persönlich auf seine Gültigkeit:
Geprüfter Energiepass mit Vorschau:
Energiepass

4 Antworten

  1. […] Aussagen fehlerhalt. Ich habe das mal ausfhrlich kommentiert und der Redaktion geschrieben: Plusminus-Beitrag Unausgereifte EnergieausweiseBrief an die Redaktion Energiesparen, Energieaus… Schaun wir mal, ob da irgendeine Reaktion […]

  2. […] bei, als zur Information. So kritisiert der Leipziger Energieberater Volker Klinkert in seinem Energiepass-Blog das Fernseh-Magazin […]

  3. da fühlt sich wohl jemand auf den schlips getreten ?
    der handel mit online-energieausweisen boomt und da sind leider viele schwarze schafe darunter, deshalb nur ein energieberater, der vor ort eine bestandsaufnahme gemacht hat, kann einschätzen, wie es um das gebäude bestellt ist.
    und was heißt „crashkurs für berater aus dem baustoffhandel oder umgeschulter schornsteinfeger“ ? in der enef ist doch eindeutig geregelt, wer energieausweise ausstellen darf oder irre ich mich da?
    außerdem würde ich gern mal einen bauing. sehen der weiß, wie ein hydraulischen abgleich vorgenommen wird.
    ich glaube das ganze geschreie von dem herrn energieberater klinkert geht darauf zurück, dass er mit seinen onlineausweisen einen schnellen euro verdient hat und jetzt unsatzeinbußen befürchtet, das sollte aber jeder selbst beurteilen.

  4. Schwarze Schafe gibt es überall, Herr Dirk.
    Ich bin seit mehr als 10 Jahren in der Energieberatung tätig und habe selbst Gebäudeenergieberater ausgebildet.
    Auch wenn mancher 3-Tages-Kurs EneV-konform ist, eine umfassende und korrekte Vor-Ort-Beratung kann man mit Sicherheit von Absolventen solcher Kurse nicht erwarten. Natürlich hat der „normale“ Bauingenieur noch nie etwas von hydraulischem Abgleich gehört (ich bin übrigens kein Bauingenieur). Deshalb sehe ich es auch kritisch, dass die Bauvorlageberechtigung schon allein als Kriterium genügt, Energieausweise ausstellen zu dürfen. Weil wir gerade bei diesem Beispiel sind, in vielen Häusern würde ein vernünftiger hydr. Abgleich der Anlage mehr einsparen als jede Dämmmaßnahme.
    Im übrigen habe ich nicht geschrien, sondern die sachlich falsche Darstellung von plusminus kritisiert. Die Antwort der Redaktion zeigt, dass man sich dort wohl eher oberflächlich mit der Problematik befasst hat.
    Kommentare wie den Ihrigen bekomme ich sondt nur von anonymen Anrufern, die mir mit Klagen oder Schlimmerem drohen.
    Ich vermute, es sind Energieberater (wie Sie?), die sich erhofft haben, die ENEV würde jeden deutschen Hauseigentümer zwingen, eine Vor-Ort-Beratung vornehmen zu lassen.

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